Die Milchbank

Logistik- und Kommunikationsstandort

Noch bis in die Sechziger- und Siebzigerjahre des letzten Jahrhunderts war unser Dorf sehr landwirtschaftlich geprägt. In den Stallungen der Landwirte standen viele Kühe zur Milchproduktion.

Jeden Abend und jeden Morgen wurden sie gemolken, teilweise noch in Handarbeit. Die elektrischen Melkmaschinen begannen damals erst die Ställe zu erobern.

Nach dem Melken wurde die Milch in große Milchkannen gegossen. Danach begann ein fast rituelles Dorf-Ereignis. Die Milchkannen wurden zur „Milchbank“ im Dorf getragen.

„Milchbänke“ waren besondere, erhöhte hölzerne Bänke, auf denen die Milchkannen abgestellt wurden, um sie dann einzusammeln und in die nächste Molkerei zu transportieren. Anfangs geschah dies frühmorgens, bei jedem Wind und Wetter, mit einem Pferdegespann vor einem offenen Anhänger. Am späten Nachmittag kam das Pferdegespann zurück und lieferte meist scheppernd die leeren Milchkannen wieder ab. Später wurde die Abholung durch das „Milchauto“ durchgeführt.

Die „Milchbänke“ waren aber auch ein Bestandteil des dörflichen Alltags. Sie waren die „Dorf-Zeitung“ und auch der „Treffpunkt“. Während die Frauen und Männer an der Milchbank auf das Kommen des Milchautos warteten, gab es natürlich viel zu erzählen der neueste Klatsch und Tratsch, aber auch das allgemeine Dorfgeschehen wurde hier besprochen.


Kommunikationstreff und Ruheplatz

Pohlheim (ger). Eine Milchbank, die in früheren Zeiten wie selbstverständlich an Hauptstraßen zu finden war, bereichert seit dem vergangenen Wochenende den Brunnenplatz in Watzenborn-Steinberg.

Sänger des Gesangverein Sängerkranz Watzenborn-Steinberg um Bauleiter Ronald Wehrum waren als Handwerker fleißig gewesen und haben damit nicht nur einen neuen Ruheplatz geschaffen. Es soll damit besonders an die alte Tradition dieses Kommunikationstreffs an den früheren Milchabholstationen erinnert werden. Hier wurde sich getroffen und geplaudert und es gab neueste Informationen aus dem Dorfleben, weiß Wehrum aus Jugenderinnerungen. Die Idee ist den Sängern bei dem Stammtisch »Ausgefallene Singstunde« gekommen. Die Probe war an diesem Abend tatsächlich ausgefallen und so blieb viel Zeit, um bei einem Bier über frühere »gute, alte« Zeiten zu erzählen. Dabei kam die Milchbank ins Gespräch, bei der alltäglich frühmorgens und am Nachmittag die frische Milch in großen Kannen der umliegenden Bauern von der damaligen Gießener Milchzentrale Grieb abgeholt wurde. Das liegt inzwischen über einige Jahrzehnte zurück. Aus der zunächst fixen Idee war schnell klar, das wollen wir machen. Zwei Jahre dauerte es aufgrund der Pandemie bis zur Umsetzung. Der Pohlheimer Bürgermeister und Magistrat waren zuvor schon gefragt worden und signalisierten seitens der Stadt Unterstützung für dieses Stück gelebte Pflege der Dorfgeschichte zu. Das Douglasien-Holz und die Beton-Fundamentplatten finanzierten die Sängerkränzler selbst. Der Bauhof half bei der Befestigung der Gelände- und Fundamenteinfassung. Am Freitag und Samstag packten die Männer an und schraubten und bohrten, so dass die 2,40 x 0,90 Meter große Bank entsprechend stabil ist und für die Spaziergänger zur Verfügung steht. Die von Klaus Harnisch und Hartmut Reitschmidt vom Weiherhof zur Verfügung gestellten Milchkannen wurden am Ende fest mit der Bank an der Seite der Sitzfläche verschraubt. Bald soll noch ein Hinweisschild an die Geschichte dahinter erinnern. Offiziell eingeweiht und gefeiert werden soll die Milchbank natürlich mit Chorgesang. Das ist für das Frühjahr geplant. Genauer Termin folgt.

Roger Schmidt


Technische Daten


Gesang für die Milchbank

Pohlheim (rge). »Rauschen die Quellen im Tales Grund« stimmten die Sänger der »vocale Sängerkranz« um Chorleiter Peter Schmitt in dem bekannten Chor-Klassiker »Heimat« am Samstag zur Einweihung der neuen Milchbank am Brunnenplatz in Watzenborn-Steinberg an. Trotz Eiseskälte an diesem Nachmittag im April waren doch einige Zuhörer, darunter Bürgermeister Andreas Ruck, Ortsvorsteherin Eva Saarbourg und der Ortsvereinsvorsitzende der Heimatvereinigung Schiffenberg Dieter Schäfer, zu diesem kleinen feierlichen Eröffnungsakt mit Chormusik gekommen.

Sängerkranz-Vorsitzender Werner Funk erinnerte an die Entstehung von der Idee vor zweieinhalb Jahren bis zur Umsetzung in den letzten Wochen. 13 beteiligte Sänger des Stammtisches »Ausgefallene Singstunde« hatten daran zur Verwirklichung beigetragen, dankte er. Und auch der städtische Bauhof wurde gewürdigt.

Platz des Erinnerns

»Wois froier woar«, daran solle die neue Milchbank erinnern, denn unweit beim Vereinslokal Goldener Stern hatte eine ebensolche einmal gestanden, die für die umliegenden Landwirte der Lieferort für ihre Milch an die Molkereizentrale war. Viele der Sängerkränzler in direkter Nachbarschaft hätten das in jungen Jahren im direkten Umkreis noch alltäglich erlebt, sagte Funk.

Heute solle sie an diese Stück Geschichte in Form der Ruhebank mit den Milchkannen dem Spaziergänger Gelegenheit zum Ausruhen und Erinnern geben. Dafür steht auch eine Tafel mit Bild und Text, die diese Historie beleuchtet. Gewürdigt wurde dies als »tolle Initiative« der Sängerkranz-Sänger von Bürgermeister Ruck, der sich mit den anderen Besuchern für das deutsche Volkslied »Das Morgenrot« als weiteren »vocale«-Beitrag mit den erwartungsfrohen Zeilen »Die Sonne, sie strahlt aus der Ferne uns zu, und schenkt uns das Leben und Freude dazu« mit Applaus bedankte.

Roger Schmidt